Foodwatch testet Chips auf Acrylamid

July 29, 2008
Es ist kein Thema, über das die großen Chipshersteller in Deutschland gerne reden. Ruft man sie an und fragt nach Acrylamid, erntet man ein tiefes Seufzen. Ein Seufzen, das zu sagen scheint: Nicht schon wieder, das Thema nervt.
Denn was die Hersteller von Chio Chips, Crunchips oder Pringles am liebsten gar nicht mehr thematisieren würden, lässt der Verbraucherorganisation Foodwatch keine Ruhe: der Acrylamidgehalt der Knabberwaren. Der Stoff gilt als krebserregend und erbgutschädigend und findet sich in hohen Dosen in vielen der gängigen Chipsprodukte, die Verbraucher im Supermarkt kaufen können. Seit 2003 testet die Organisation deshalb einmal im Jahr verschiedene Kartoffelchips.
Außerdem bezweifelt man auf Herstellerseite die Seriosität der Foodwatch-Untersuchungen: "Nur zweimal im Jahr Proben zu nehmen, ist statistisch nicht unbedingt glaubwürdig", sagt Melanie Fischer vom Konsumgüterkonzern Procter &Gamble, dem Hersteller von Pringles. Denn die Werte schwankten extrem, das wisse man aufgrund eigener Messreihen. "Die Ergebnisse hängen von vielen Faktoren ab und schwanken von Tüte zu Tüte. Außerdem weist die Messmethode eine Ungenauigkeit von 20 Prozent auf", ergänzt BDSI-Experte Liesen. Die Kartoffelsorte spiele dabei genauso eine Rolle wie etwa die Dauer der Lagerung oder der Zuckeranteil. Ein Argument, das Foodwatch nicht gelten lässt: "Selbst wenn unsere Werte Ausreißer sind, sind die Produkte doch trotzdem im Handel", sagt Bode. Er versteht nicht, warum die Industrie ihre Ergebnisse nicht öffentlich macht - "zumal, wenn sie behauptet, ganz andere Werte zu haben". Außerdem ärgert sich der oberste Verbraucherschützer über die Haltung der Bundesregierung, die seiner Meinung nach zu sehr die Interessen der Industrie vertritt: "Es gibt keinen Grund, die Hersteller nicht dazu zu zwingen, die Acrylamidwerte zu kennzeichnen - das könnte dann ja sogar ein Wettbewerbsvorteil werden", sagt Bode. Zusätzlich weigere sich die Bundesregierung aus fadenscheinigen Gründen, eigene Messergebnisse zu veröffentlichen und schiebe juristische Schwierigkeiten vor. "Dabei hat sie mit dem Verbraucherinformationsgesetz eine Verordnung geschaffen, die umfassende Informationen für den Verbraucher sogar fordert." Beim Verbraucherschutzministerium will man davon allerdings nichts wissen und verweist ebenfalls auf die Schwierigkeit, einen genauen Grenzwert für Acrylamid festzulegen. Selbst wenn man diesen hätte, werde auf EU-Ebene entschieden, was auf den Lebensmittelpackungen gekennzeichnet werde, sagt eine Sprecherin. Das Lebensmittelkennzeichnungsrecht der EU werde momentan überarbeitet und Deutschland habe ein Monitoring zum Thema Acrylamid angeregt. Solange diese Daten noch nicht ausgewertet seien, könne man auch keine Maßnahmen ergreifen. Bei der Industrie ist man genau deshalb entspannt: Laut den aktuellen Zahlen der European Snacks Association werden in Deutschland im Jahr 275.000 Tonnen Kartoffelchips im Wert von 1,6 Milliarden Euro verkauft. Worauf die Industrie setzt, ist deshalb klar: "Die Marktentwicklung ist inzwischen wieder stabil, die hohe Aufmerksamkeit hat nachgelassen", sagt Fischer von Procter &Gamble. "Das Thema ist beim Verbraucher nicht mehr da."
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